Understanding und Despair

















'Unsere Kollaboration wäre ohne unsere Freundschaft undenkbar.
Das eine bedingt sozusagen das andere.

Cornelia Herfurtner & John MacLean (2013)
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Unser Beitrag steht unter dem Motto 'Understanding and Despair'

Ausgangspunkt für die oben genannte Beschreibung unseres Beitrags war die Tatsache, dass Lysanders Anfrage an uns motiviert war durch einen angenommenen Zusammenhang zwischen künstlerischer Arbeit und persönlicher Freundschaft (die aus der Perspektive eines 'Unbeteiligten' nur vermutet werden kann).

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Für uns ergab sich dann die Situation, dass die Freundschaft zwischen uns, obgleich vorhanden, unmöglich ein interessantes Sujet für einen 20-minütigen Vortrag werden konnte, noch dass sie als solche - z.B. in Form von Anekdoten - Inhalt unserer gemeinsamen Arbeit ist bzw. diese sich in ihr erschöpft.

Deshalb beschlossen wir, aus unseren Arbeiten heraus die Rolle der Zusammenarbeit für die Arbeiten zu beleuchten bzw. zu formulieren, was an diesen Arbeiten 'notwendigerweise' dialogisch ist. Auch von dem Konzept der Freundschaft werden wir sprechen.

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Daher auch das - vermeintliche und ironische – Selbstzitat.

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Mir war es echt wichtig, zu sagen, dass das 'Selbstzitat' ironisch gemeint ist. Mir ist es schon peinlich, dass Menschen dachten, wir seien einfach süß.

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Hey, hey, hey, let s not give it away, über Peinlichkeit werden wir noch sprechen.

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das 'Selbstzitat', das eine wechselseitige Bedingtheit unserer Arbeit und unserer Freundschaft in einer fragwürdigen Übertreibung behauptet.
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Problem in dem Sinne, dass es sagt unsere Freundschaft hänge von unserer Zusammenarbeit ab, sei ohne sie unmöglich.
Das ist nicht wahr.
Das ist schrecklich.
AUSLIEFERUNG

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Auch vom Konzept der Freundschaft werden wir sprechen.

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Dabei beziehen wir uns auf unterschiedliche Texte zu und Zeugnisse von Freundschaft. Zu nennen wären etwa repraesentative Skulpturen des im Gespräch versunkenen Dichterpaares Goethe/Schiller, deren kanonisierte Seelenverwandtschaft etwa zu Salzstreuern führt, und Derridas Überlegungen in 'Der mich begleitet'. Diese wählten wir als Folie, durch die wir (unsere) Freundschaft und Arbeiten betrachteten.

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Die Arbeit 'Fear, Grief and Pain for my Deserts (Essplatten)' zeugt von Kommunikation, die Platten als solche, als Essen auf Tellern, sind Gabe, Gegebenes, gestaltet für jemanden.

Foto einer Essplatte mit Zwiebeln und durchgestrichenem 'Sorry'

ein Photo aus der Serie Fear, Grief and Pain for my Deserts (Essplatten)


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Esse ich das 'Sorry', nehme ich es dann an, akzeptiere ich es? Oder gebe ich es dem Unsinn preis, indem ich die Oberfläche des Wortes buchstäblich zerstöre und mit meinem Körper vermische? Weise ich die Entschuldigung ('Sorry' als eher lapidarer beiläufiger Vertreter dieser Gattung) von mir indem ich die Buchstaben, die Sinn bedingen, nicht als solche, sondern als das Material, aus dem sie bestehen (Zwiebeln lassen einen hungrig zurück), affirmiere? Ich zerstöre das Material durch meine Verdauung und mache es unleserlich - also eine double-bind Situation, die nicht zurückgewiesen werden kann.

(Pause)

'In dem Moment in dem ich mich dem Tisch näherte, war ich verloren'

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Zitat Anfang: 'Als ob ich jemanden rufen, zum Beispiel anrufen würde, um ihm am Telefon zu sagen: Ich möchte nicht, dass du auf meinen Anruf wartest, dass du jemals davon abhängig wirst, geh, sei frei, nimm dir die Freiheit, nicht zu antworten. Und um es mir zu beweisen, antworte nicht, wenn ich das nächste Mal anrufe, sonst breche ich mit dir. Wenn du mir antwortest, ist es zwischen uns aus.' Zitat Ende. (Derrida, Jacques: Politik der Freundschaft, Frankfurt am Main 2000, S. 235)
Hier haben wir es mit einer double-bind Situation zu tun, also einer Situation mit einer paradoxen Forderung, der man nicht entkommen kann, weil man sich nicht nicht zu ihren Zumutungen verhalten kann.

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Ich rufe dich also an, erwarte, dass du nicht abnimmst, um mir deine Freiheit, deine Unabhängigkeit zu beweisen, fordere dich aber auch zum Abnehmen auf (es klingelt), in jedem Fall befolgst du und befolgst du die Forderung nicht.

Diese paradoxe Situation leitet Derrida in dem Text 'Der mich begleitet', aus dem Ausspruch eines Weisen ab, von welchem Aristoteles berichtet haben soll: 'O Freunde, es gibt keine Freunde!'

Hierbei werden wir uns nur auf das Moment der Ansprache konzentrieren. Die Ansprache 'O Freunde' setzt deren Anwesenheit voraus, rückt diese aber gleichzeitig in die Ferne und zögert das Kommen hinaus, stellt sie doch unweigerlich die Frage: 'Bist du da?'
. Wie beim messianischen Satz 'Wann wirst du kommen?' wird das Kommen sowohl erwartet als auch gefürchtet.

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Es liegt eine Verleugnung in der Appellation: Ist nicht in der Anrufung eines anderen, dem ich notwendigerweise seine Freiheit lassen muss, die Möglichkeit zur Chance, zum Ereignis überhaupt inbegriffen? Und birgt dieses nicht ebenso eine Gefahr? Wenn ich also den einzigartigen Namen unserer Freundschaft anrufe, o Cornblume86 -denn als solche lernte ich sie kennen-, äußert sich da nicht eine Hoffnung auf die Ankunft eines Freundes und gleichermaßen die verdrängte Furcht vor einem Feind, die Verleugnung meines Wunsches, das Kommen auf ewig in die Zukunft zu verschieben?

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O Cornblume86! Es gibt keine Cornblumen86

(Pause)

Die Arbeit 'Fear, Grief and Pain for my Deserts (Essplatten)' enthält Bemerkungen, Kommentare, verweist so auf Dialog, auch auf den, aus dem sie entstanden ist. Eine Bemerkung reagiert auf die nächste, eine Schicht lagert über der anderen. Ausgehend von Humor und einer Vielzahl von Anspielungen könnte man eine geistige Verwandtschaft der KünstlerInnen behaupten. Ist nicht im Humor, im Empfinden von Peinlichkeit am subtilsten eine Übereinstimmung in der Denkweise, im Empfinden von Grenzen, von Kategorien zu sehen?

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Das Adjektiv 'hot' beispielsweise bezieht sich auf beides - auf Hitze und Attraktivität - und in der Übertragung beschreibt es letzteres als Gekocht-sein.

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Um die Frage, was ein Freund sei, zu beantworten, bedient sich Aristoteles der topologischen Figur des Wohnens. Der Körper erweise der Seele Gastfreundschaft. Ein Freund sei ferner eine Seele, die in zwei Körpern wohnt.

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Freund, auch im Deutschen lange Zeit gleichbedeutend mit 'Verwandter' benutzt, steht insbesondere im antiken Griechenland im Zusammenhang mit der An- oder Zugehörigkeit zu einer Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft (Oikos). Diese Zugehörigkeit gehöre ebenso zur familiären Vertrautheit wie auch zur Wesensverwandtschaft.
Ist ein Freund jedoch die Seele zweier Körper, so hat er keinen eigenen Körper, der eigene wäre immer auch ein anderer. Der Freund wäre also ortlos, atopos, verrückt, befremdend, fremd, immer nur ein Gast, nicht zuletzt unzugehörig - und das, obwohl der Freund gleichzeitig als Zugehöriger definiert ist. Es ergibt sich eine Ver-rücktheit im Ort, Unheimliches, Heimsuchung.

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Im komischen Versuch solch eine Seele abzubilden, ergab sich folgendes gesuchtes Gemisch: WANTED. Abgebildet ist ein Gesicht in Form eines Durchschnitts, gebildet durch Überlagerung von zwei Gesichtern, nämlich unseren!
Zwar könnte man es als einen Versuch lesen, den 'Freund' (als Seele in zwei Körpern) sichtbar zu machen, doch widerspricht die Bildung eines Mittels dem Konzept der Unteilbarkeit der Seele – quasi eine arithmetische Verballhornung ebendieser.

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Abgebildet wird derjenige, von dem man hofft, ihm über sein Abbild habhaft werden zu können: dem Gesetzesbrecher, dem Grenzüberschreiter.
'Wanted' wird aber auch zu 'gewollt', 'begehrt'.

Doch was für Konsequenzen ergeben sich aus dem Konzept des Freundes als Seele zweier Körper? Wenn also die Logik von Identität und Territorium außer Kraft gesetzt würde (der Freund, der keinen eigenen Körper hat)?

Was wäre beispielsweise, wenn ein Freund stirbt? Augustinus erlebt in dieser Situation nicht bloß das Grauen, zu überleben und nicht zu überleben. Sondern er stellt sich auch die Frage: Will ich um meinetwillen oder um seinetwillen überleben? Denn die Liebe für den anderen wäre im höchsten Maße eine Selbstliebe.

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Was für Schlussfolgerungen ergeben sich für die Gabe, wenn der Gebende und der Empfangende eine Seele haben? Jedes Kalkül würde unmöglich. Begriffe wie Erkenntlichkeit, Verpflichtung, Schuld würden ihre bisherigen Bedeutungen verlieren.
Montaigne zufolge ergebe sich weniger eine Verschmelzung als eine Verkehrung der Asymmetrie: Der Gebende sei der Empfänger. Hinterlasse jemand seinem wahren Freund beispielsweise ein Testament voller Aufgaben, biete er diesem das größte Geschenk, nämlich: eine Gelegenheit zur Großzügigkeit.

Freundschaft, so Montaigne, sei etwas Einzigartiges, das nicht durch Politik hergestellt werden kann. Sie gehe ihr vielmehr voraus, stiftet soziale Bande. Ihr Gesetz wäre die Universalität der Singularität, die Gattung der Nicht-Gattung und als solche dem Gesetz übergeordnet. Wanted

Fallbeispiel 1: Kanonisierung von Freundschaft

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An den Rand gedrängt von demokratisch gesinnten Schriftstellern, treffen sich die Dichter Goethe und Schiller zum ersten Mal im Jahr 1795, um Absprachen zu treffen über ein zu gründendes Magazin ('die Horen'), mit welchem sie ihr 'klassisches' Kunstverständnis verbreiten wollen. Obgleich bis dato von persönlicher und künstlerischer Antipathie durchdrungen, formen sie von da an eine Interessengemeinschaft, die von Konterrevolutionären im Laufe des 19. Jahrhunderts als vollste 'Wesens- und Strebensgemeinschaft' festgeschrieben wurde. Sie distanzieren sich von ihren früheren aufklärerischen Tendenzen und treten für ästhetische anstelle von politischer Erziehung ein. (Vgl. Hermand, Jost: Freundschaft. Zur Geschichte einer sozialen Bindung, Köln 2006, S. 28-48)

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'Ich denke, dass Goethe und Schiller keine wahren Freunde waren'
sagt der andere als Einschub, um die merkwürdig anmaßende Geste der finalen Bewertung einer Freundschaft durch einen Unbeteiligten zu reflektieren.


Filmstill in dem ein grünes Objekt von einer Stange angestoßen wird


Um ihre Position zu stärken, widmen sie sich (in Zusammenarbeit mit Heinrich Meyer) dem Dilettantismus, den sie ablehnen und erstmals mit einer abwertenden Konnotation versehen. Den Begriff des Dilettantismus auf von ihnen als falsch empfundene Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst anzuwenden, erlaubt ihnen, diese zu verurteilen.
Ein Dilettant, jemand, der keinen Aufwand eingeht, nicht sogenanntes Genie mit Wissen und Handwerk verbindet; der Kunst betreibt, um sich zu erfreuen, habe kein Verständnis von der wahren Kunst.
Gegen eine bestimmte Form von Mühelosigkeit, der Sprezzatura, die Aristokraten vorbehalten war, führen sie ein von Ernst geprägtes, an Erfolg orientiertes Verständnis von Kunstproduktion ein.

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Jetzt zu unserer Arbeit:
Was geht über die Interaktion hinaus, eine Interaktion, aus deren Verspieltheit man nur eine Vertrautheit der Künstler annehmen kann? Das benutzte visuelle 'Vokabular' vermittelt durch z.B. Schnelligkeit und Unprofessionalität eine schmerzhafte Wahrheit im Scheitern, bedient sich des Eindrucks von Authentizität; doch ist dies freilich losgelöst von einer authentischen, persönlichen Beziehung. Das Fotografieren, Nachbearbeiten und Sammeln, lässt sie eher wie eine Sammlung von Arrangements erscheinen (wie sie auf einem Blog veröffentlicht werden könnte). Es ergibt sich ein Sujet, in dem man Virtuosität erlangen kann, unweigerlich in der Flugbahn von Stilllebenmalerei. Virtuosität nicht im Handwerk, sondern in der Herausarbeitung von Untertönen, des mühelosen Witzes.


Ein liegendes Strichmännchen und der Satz: Bleib mir lieber fern, weil es sonst überspringt und weil das Fieber auch in deine Seele dringt


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Handelt es sich in dieser Liedzeile um eine pathetische Pose, eine kokette Inszenierung von Leidenschaft? Eine Warnung vor dem (eigenen) 'Seelenfieber', das trotz der Empfehlung sich nicht zu nähern, Attraktivität schaffen und anziehen will?
Oder liest man sie als aufrichtigen Ausdruck eines Erschreckens, einer Verzweiflung angesichts einer das Selbst übersteigenden Intensität?


Abbildung eines Posters (Beschreibung folgt)

PROJEKTION: O SOLE MIO



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Erneute Anrufung bei der Betrachtung eines Posters (o sole mio)

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Bei dieser Arbeit handelt es sich um ein Foto, auf das mit einem silbernen Edding gezeichnet wurde. Das großformatige Poster zeigt im Hintergrund eine unscharfe, einer Sonne ähnelnde runde Fläche, die sich einer im scharfen Vordergrund schwebenden Praliné unaufhaltsam zu nähern scheint. Deren rückseitige Beschriftung 'Liquid Center' weist auf ihren flüssigen Kern hin. Damit steht einer Analogie zur Erde nichts entgegen. Auf dem Poster ist als weitere Bildebene eine Zeichnung einer Partie Galgenmännchen, das zu Ungunsten des Ratenden beendet wurde, und eines Sonnenuntergangs. Krumme Analogien von Tages-, Lebens- und Weltende durchspannen Bildebenen, die sich gegenseitig untergraben, und auf ein sicheres Ende hindeuten.

Perspektive der Praline:
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'ich rufe dich an, o einsames selbst, o meine sonne'

Wie beim messianischen Satz 'Wann kommst Du?' wird das Kommen der Sonne erwartet und doch gefürchtet. Sobald die wärmende Kraft sich zu einem Weltende hin nähert, verschwindet die Opposition, der Referenzpunkt aller Möglichkeit der Darstellung, aller Begrifflichkeit, eine Ankunft würde sie ins Bodenlose stürzen.

Perspektive des Betrachters:
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'Die Sonne entzieht sich meinem Blick (Schärfe), sie entzieht sich meiner Umarmung (Distanz). Die Sonne entzieht sich mir, weil sie erlischt'




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Vielen Dank

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Vielen Dank



Foto: Befreundete beim Vortragen

Lesende Freunde











das vermeintliche Selbstzitat als Bild

vermeintliches Selbstzitat







Foto einer Essplatte mit Tomaten und Basilikum: Devotion!

Devotion

als Motiv eines Aufstellers für die Lecture









Salzstreuer in Kopfform portratieren Goethe und Schiller

Salz- und Pfefferstreuer





























Werbung für Telefonflatrate mit zwei lachenden Frauen

freudiges Wiederhören














Foto eines Vertragenden und Props

Befreundeter





Aufsteller mit Gesuchtem und dem Schriftzug 'wanted'











Filmplakat mit dem Slogan: Two bodies, two minds, one soul. Separation can be a horrifying thing

Zwei Körper, eine Seele, kein Copyright























Foto einer Vertragenden und Zuhörenden

Befreundete





















































Nachricht an die Sängerin Nico

Ambivalentes Verhältnis zu Nico



















































































































































































































































































































































































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